Der Unterschied zwischen Kampf, Kampfsport und Kampfkunst

Gedanken zum Thema von Thomas Meisel

Wenn ich mich mit Außenstehenden unterhalte und auf das Thema Kampfkunst zu sprechen komme, bekomme ich oft das Problem, diesen Begriff zu erklären. Unter dem Begriff Kampfsport können sich die meisten etwas vorstellen, aber der Zusammenhang zwischen Kampf und Kunst ist oft schwer zu vermitteln. Weiterhin ist der Begriff Kampf bei vielen Menschen negativ besetzt und wird in Verbindung gebracht mit Gewalt, Aggression oder gar Krieg. Das, was sich die meisten noch am ehesten vorstellen können, ist Kampfkunst als Selbstverteidigung, also wieder als Form von Gewalt, wenn auch legitimiert, um einen Angriff abzuwehren (hierbei lassen wir die Gefahr des Missbrauchs von Kampftechniken mal außer Acht). Dabei strebt die Kampfkunst in eine ganz andere Richtung, nämlich nach Schaffung von Frieden und Harmonie.

An dieser Stelle kommen wir zur Trennlinie zwischen Kampfsport und Kampfkunst. Den Aspekt der Selbstverteidigung gibt es sicherlich, aber in der Kampfkunst spielt er eine eher untergeordnete Rolle. Im Kampfsport dagegen steht er durchaus gleichberechtigt neben dem Aspekt der körperlichen Fitness. Hinzu kommt noch der Aspekt des sportlichen Wettkampfes, der im Kampfsport eine große Rolle spielt; in der Kampfkunst weniger. Damit bewegt sich der Kampfsport hauptsächlich auf der äußeren Ebene, weitestgehend beschränkt auf das Training des Körpers.

Die Kampfkunst hingegen beschäftigt sich über die körperliche Ebene hinaus mit den geistigen, philosophischen und auch religiösen Ursprüngen. Ziel der Kampfkunst ist die Selbsterkenntnis, die Kampftechniken dienen dabei als Mittel. Wenn wir den Begriff Kampf hier also als Auseinandersetzung definieren, kommen wir dem Sinn der Kampfkunst näher. Auseinandersetzung meint hier vor allem Auseinandersetzung mit sich selbst. Wichtig ist z.B. die Wahrnehmung der eigenen Gefühle, auch der vermeintlich negativen. Wie gehe ich mit Gefühlen wie Wut oder Angst um und wo kommen diese überhaupt her? Wenn ich mich also im Sinne der Kampfkunst mit mir auseinandersetze, lerne ich die Wechselwirkungen und Zusammenhänge von Körper und Geist zu erkennen und kann an deren Harmonisierung und Einheit arbeiten.

In diesem Zusammenhang muss mir klar sein, dass der kleinste Gedanke eine Reaktion in meinem Körper hervorruft. Wenn ich irgendwo sitze und Hunger bekomme, denke dann an ein leckeres Essen, so läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Der Gedanke allein also hat ausgereicht, eine körperliche Reaktion hervorzurufen. Einerseits hat meine Körperhaltung Einfluss auf den Zustand meines Geistes und andererseits wiederum ist der Zustand und die Haltung meines Körpers Ausdruck meines Geistes. Körper und Geist lassen sich nicht trennen. Unmotiviertes Lachen (eine körperliche Tätigkeit) ist durchaus in der Lage, meine Laune (die Ebene des Geistes) zu heben. Niedergeschlagenheit drückt sich auch gerne in hängenden Schultern aus. Richte ich meinen Körper auf, verbessert sich schlagartig meine geistige Konstitution. Diese Zusammenhänge sind mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen.

Hier liegt ein weiterer Unterschied zwischen Kampfkunst und Kampfsport: Zum Sport gehe ich, bewege mich eine zeitlang mehr oder weniger ausgiebig und gehe dann wieder nach Hause. Kampfkunst wirkt sehr viel weiter in den Alltag hinein. Lassen wir die ganzen vordergründigen Aspekte wie Steigerung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, Entwicklung von Geduld, Disziplin, Beharrlichkeit etc., mal außer Acht und schauen etwas tiefer. Die Basis jeder Kampfkunst, auf körperlicher Ebene, ist der stabile Stand in jeder Situation. Ohne Standfestigkeit, der Verwurzelung im Boden, ist jede weitere Technik wertlos. Die Entwicklung eines stabilen Standes funktioniert aber nur, wenn ich die Arbeit auf der geistigen Ebene fortsetze. Nur, wenn ich darüber nachdenke, was einen guten Stand überhaupt ausmacht und was das mit meinem Alltag zu tun hat, kann ich bei dieser Aufgabe Fortschritte erzielen. So erarbeite ich mir gleichzeitig einen festen Standpunkt im alltäglichen Leben.

Flexibilität z.B. ist eine Voraussetzung, um beim Trainingskampf auf die verschiedenen Anforderungen, wie Abwehr und Angriff, Finten etc. reagieren zu können. Arbeite ich daran, so lerne ich auch, auf die verschiedenen Anforderungen des Alltags flexibel zu reagieren. Diese Beispiele lassen sich beliebig fortführen. Dazu lohnt es, sich mit den philosophischen und religiösen Ursprüngen der Kampfkunst auseinander zu setzen, da Taoismus, Buddhismus und die Ideen des Konfuzius einen wesentlichen Einfluss auf ihre Entwicklung hatten.

Fazit: Die Kampfkunst ist ein Weg nach Innen mit dem Ziel, sich selbst zu erkennen; eine Suche nach Ganzheit, nach Einheit von Körper und Geist und nach Einklang mit dem Universum. Es gibt den Begriff des „friedvollen Kriegers“, er strebt nach innerer Harmonie und danach, im Einklang mit Natur und Umwelt zu leben. Er ist ein zutiefst friedliebender Mensch.

Wer andere kennt, ist klug.
Wer sich selber kennt, ist weise.
Wer andere besiegt, hat Kraft.
Wer sich selbst besiegt, ist stark.
Wer sich durchsetzt, hat Willen.
Wer sich mit wenig begnügt, ist reich.
Wer seinen Platz nicht verliert, hat Dauer.
Wer auch im Tod nicht vergeht, der lebt.

Laotse, Tao te king

 

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